Altenstädt während der NS-Zeit 1933-45
Über diese Zeit wird nicht gerne geredet und viele Unterlagen und Dokumente sind verschollen.
Deshalb ist es um so schöner, dass Rüdiger Löber - fleissiger Altenstaedt.de Leser und Schreiber von Beiträgen - auch zu diesem Thema einen Beitrag geschickt hat (Mai 2011).
Ich hoffe, wir können diese Seite noch erweitern, wer Beiträge oder Fotos hat, bitte melden.
Rüdiger Löber, Mai 2011:
“Ein paar kleine Begebenheiten aus diesen dunklen Jahren; erzählt von unserem Vater und einigen alten Altenstädtern:
Auf der Höhe gab es jährlich zum Sommeranfang eine von der Ortsgruppe organisierte Sonnenwendfeier. Unser Vater hielt nichts davon, konnte es aber nicht lassen, hinzugehen, um sich die Show anzusehen. Es wurden die strammen Lieder gesungen; er stand etwas abseits und rauchte Zigarre. Da kam ein Parteimitglied und schrie: "Du Gewitterbiest, meinst wull nidd midde ze sängen bruchen!" und schlug ihn nieder.
Das sah Vater dann auch als Grund dafür an, daß er sogleich zu Kriegsbeginn eingezogen wurde, obgleich er wegen der Landwirtschaft zurückgestellt hätte werden können.
Währen der Kriegszeit gab es Altenstädter (z.B. Engelbrechts, zur Pforte), die heimlich den englischen Radiosender BBC hörten, was streng verboten war. Ortsguppenleiter Eysel schlich abends um die Häuser, um diese Wehrkraftzersetzer
aufzuspüren.
Als die Amis dann 1945 einmarschierten, versteckte sich Eysel im Hattenhäuser Wald. Befreundete brachten ihm das
Essen dahin.
Wir hatten auf dem Hof während des Krieges einen polnischen Zwangsarbeiter. Er wurde gut behandelt. In den 60er und 70er Jahren kam er uns oft besuchen und verdiente sich etwas Geld mit Malerarbeiten.
Als die Amis einmarschierten, musste unsere Tante das Haus räumen und eine Zeit im sehr geräumigen Hühnerstall verbringen. Später wurde das Haus mit Ausgebombten und Flüchlingen belegt.
Zum Kriegsende gab es einen Tieffliegerangriff auf die Kleinbahn. Es durfte daher nicht in Altenstädt gehalten werden,
sondern der Zug fuhr durch bis Naumburg, sodaß die Altenstädter von dort nach Hause laufen mußten.
Das Kleinbahnfahren war im Krieg sehr strapaziös. Wegen Mangel an Waggons, waren diese so sehr mit Stehenden überladen, dass die Federung gänzlich komprimiert war, und jeder Schienenstoß ein Scheppern auslöste.
Auch für Altenstädt galt nachts die Fensterverdunkelungspflicht.”
Bernd Ritter, September 2025:
Ein Protagonist der Nationalsozialisten war ausgerechnet der Lehrer Carl Eysel, der – als verblendeter Nazi - seine Schüler mit strenger Hand behandelte. Schüler mussten – nach Erzählungen meines Vaters – mit Konsequenzen rechnen, wenn sie z.B. gesehen wurden, wie sie in die Kirche gingen oder zuhause keine NS-Fahne ausgehängt wurde. Uns sei es „nur“, indem sie heftig angeschrien wurde. Mein Vater wurde mal als „Deutscher Lump“ beschrien, das hatte er nie vergessen.
Die Kriegsgefangenen wurde in Altenstädt - nach Erzählungen - sehr unterschiedlich behandelt. Einige Bauern behandelten die Menschen, die ihnen zugewiesen wurden, respektvoll, andere wiederum sadistisch.
Bei der Wahl im März 1933 handelte es sich um die nur noch beding letzte freie Wahl, da die NSDAP bereits massiven Terror ausübte, Zeitungen wie der “Vorwärts” bereits verboten waren oder sich KPD-Abgeordnete in “Schutzhaft” befanden.
Reichsweit erreichte die NSDAP “nur” 43,9% der Stimmen, dagegen wirken die 65,3% in Altenstädt schon fast unheimlich!
Ende der 1960er Jahre gab es sogar noch einmal eine dunkle Seite in der Altenstädter Geschichte: bei der Bundeswahl 1969 gewann die NPD in Altenstädt fast 20%!
Siehe „Wahlen in Altenstädt“ (folgt)