Weberhandwerk in Altenstädt
Weberhandwerk in Altenstädt:
Altenstädter Webstuhl wird heute noch benutzt.
Weben in Altenstädt (von Werner Gerhold, 09/2011)
Bevor man auf dem Land industriell produzierte Textilien kaufen konnte, war die Bevölkerung auch bei Wäsche und Kleidung meistens Selbstversorger. Neben Wolle war das beliebteste Ausgangsmaterial der Flachs; dieser wurde auf dem Feld angebaut. Als Kind kann ich mich noch daran erinnern, dass meine Eltern am Sandstück (Am Sander - u. Balhorner Weg) Flachs angebaut haben. Nach der Ernte bündelte und trocknete man den Flachs auf dem Feld. Bei dem Aufstellen habe ich als Kleinkind schon mitgeholfen. Da die Bunde nur ca. 50 cm hoch waren, konnte auch ich meinen Beitrag zur Leinengewinnung leisten. Nach dem Trocknen zog man die Garben durch einen Kamm, um die Samenkapseln abzutrennen – aus ihnen wurde später Leinöl gepresst.
Zur weiteren Verarbeitung wurde der Flachs in Gerholds Scheune über dem Maschinenschuppen gelagert. Er wurde zum besseren Trocknen nur auf die offene Balkenlage gelagert. Ein Teil ist nach dem Trocknen für den eigenen Gebrauch verarbeitet worden. Der größte Teil wurde verkauft. Flachs wurde in zwölf Schritten bearbeitet und versponnen. Die Flachsfasern wurden von hölzernen Bestandteilen befreit, gesponnen und auf kleine Spulen gewickelt. Von dort nahm man das Garn für die längs eingespannten Fäden des Webstuhls, die Kettfäden, und für die Weberschiffchen, die quer hin und her „geschossen“ wurden. Dann entstanden auf dem Webstuhl Leinenstoffe für Leib-, Bett- und Tischwäsche. Die Leibwäsche war schon sehr gewöhnungsbedürftig, denn das Leinen war doch sehr rau auf der Haut und man konnte an den empfindlichen Stellen wund werden.
Obwohl die eigene Herstellung von Leinen vor der Industrialisierung weit verbreitet war, gab es in Hessen viele Weber im Hauptberuf, meist mit einer Landwirtschaft als Nebenerwerb. Sie produzierten zuhause und verkauften ihre Ware an Händler.
In Altenstädt gab es 1676 einen Leinweber - Hans Butte - der aus Zierenberg zuwanderte und 1801 - Johann Adam Siebert - dieser stammte aus Isha. Die Spezialbeschreibung für das Dorf Altenstädt von 1807 weist 3 Leinweber aus. Anfang des 19. Jahrhunderts sorgte jedoch die Einfuhr indischer Stoffe für einen Preisverfall und ab 1850 setzte sich die Maschinenweberei durch. Damit war der Beruf des Handwebers dem Untergang geweiht.
Bei einer Vereinsfahrt in das Freilichtmuseum Hessenpark habe ich per Zufall den Webstuhl aus Altenstädt (siehe Bild) entdeckt, der heute noch voll funktionsfähig ist. Auf ihm werden Webkurse für Erwachsene und Kinder angeboten, um ihnen das alte Handwerk des Webers beizubringen. Welcher Familie der Webstuhl aus Altenstädt einmal gehört hat, habe ich leider nicht in Erfahrung bringen können.
Quellen: 1150 Jahre Alahstatt - Altenstede von Georg Feige Seite 195
Winterbeschäftigung: Leinenweben war oft ein Nebenverdienst
Hier: Christoph und Adam Bräutigam (20er Jahre)
Siehe: Landwirtschaft früher